An dieser Stelle möchten wir uns mit einem auf Facebook geäußerten Vorwurf auseinandersetzen, wir seien eine "mehr als fragwürdig[e]" Gruppierung.
Liebe Anja Johanna Antigone,
aufgrund Deines Verweises auf einen aus unserer Sicht
einseitigen und unfairen Artikel von Peter Bierl (http://jungle-world.com/artikel/2008/24/22011.html) über die
Giordano-Bruno-Stiftung, haben wir das Bedürfnis, im Rahmen unserer
Möglichkeiten als Jenaer Hochschulgruppe eine Gegendarstellung vorzulegen.
Vorab möchten wir jedoch anmerken, dass Peter Bierl kein unbekannter ist und
auch Michael Schmidt-Salomon (der Vorstandssprecher der gbs) bereits auf dessen
unhaltbare Anschuldigung, die gbs sei antisemitisch und dem rechten Rand
zuzuordnen, reagiert hat:
Die Giordano-Bruno-Stiftung ist eine Denkfabrik für
Humanismus und Aufklärung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Säkularen,
Nichtgläubigen und Agnostikern und all jenen eine Stimme zu geben, die sich von
den Religionsgemeinschaften und ihren Glaubenssystemen nicht vertreten fühlen.
Sie möchte die kreative Entfaltung von Wissenschaft, Philosophie und Kunst
fördern und eine humanistische Alternative entwickeln, die ein freies und
gleichberechtigtes Zusammenleben aller Menschen ermöglicht.
In der Giordano-Bruno-Stiftung haben sich viele renommierte
Wissenschaftler, Philosophen, Schriftsteller und Künstler zusammengetan (z.B.
der Comiczeichner Ralf König [→ „Der
bewegte Mann“], der Primatologe Volker Sommer, die ehemalige
SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier, der Neurophilosoph Thomas
Metzinger, der Astrophysiker Heinz Oberhummer, zahlreiche bekannte
Evolutionsbiogen wie z.B. Eckart Voland und Franz M. Wuketits, die
Schriftstellerinnen Esther Vilar und Karen Duve, der Autor und Politologe Hamed
Abdel-Samad, der Autor/Zeichner Janosch und viele andere mehr).
Der gestiegene Bekanntheitsgrad der Giordano-Bruno-Stiftung
löste als Gegenreaktion eine beträchtliche Anzahl kritischer, mitunter sogar
offen diffamierender Medienberichte aus. In den meisten Fällen stammten die
besonders harschen Verrisse aus der Feder von Theologen, die sich wohl von der
religionskritischen Haltung der GBS herausgefordert fühlten – was für die
Leser, Zuhörer oder Zuschauer jedoch meist nicht erkennbar war, da sich die
stark voreingenommenen Kritiker hinter der Maske unabhängiger Berichterstatter
versteckten. Auf diese Weise schlichen sich einige Fehldeutungen und
Missverständnisse im Hinblick auf die Giordano-Bruno-Stiftung ein. Auf die
Gängigsten Fragen und Vorurteile wird hier ausführlich eingegangen:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/leitbild/10-fragen-antworten
Es ist sehr zu begrüßen, dass Du Deinen kritischen Verstand
offenbar nicht an der Garderobe abgeben möchtest. Dennoch stellt sich dabei
immer auch die Frage, von welchem Standpunkt aus Kritik geübt wird. Der Autor
des Artikels scheint hierbei einen sehr anthropozentrischen Standpunkt zu
vertreten, den wir als evolutionäre Humanisten nicht ganz teilen können – und
das unseres Erachtens mit guten Gründen. Denn: Zu den von Freud aufgeworfenen
drei Kränkungen der Menschheit gehört auch die Kränkung, dass der Mensch eben
keine prinzipielle Sonderstellung in der Welt inne hat; also nicht die „Krone
der Schöpfung“ darstellt. Sondern im Gegenteil ein Lebewesen unter vielen ist,
wie es uns die Evolutionstheorie auch veranschaulicht. Diese Tatsache sollte
auch in ethischer Hinsicht in angemessener Weise berücksichtigt werden.
Die utilitaristische Ethik Peter Singers ist leider von dem
Autor unglücklich verkürzt dargestellt worden. Peter Singer propagiert oder gar verlangt keine
Tötung von Embryonen oder Behinderten, sondern er untersucht lediglich, ob
diese unter gewissen Umständen gerechtfertigt
werden kann – was nach der (religiös geprägten) Doktrin von der Heiligkeit des
Lebens in jedem Fall ausgeschlossen
sein soll. Letztere beruht im Grunde auf der schlichten Zugehörigkeit zur
Spezies Mensch. Dadurch führt sie zwar zu einem umfassenden Schutz des
menschliches Leben, jedoch kann dies auch zu erheblichem menschlichem Leid
führen. Singer schlägt daher vor, dass wir die Beantwortung der Frage, ob wir
ein Lebewesen töten dürfen, vielmehr davon abhängig machen sollten, ob dieses
Schmerz fühlen kann und ein Bewusstsein für seine eigene Individualität besitzt
und die Zukunft antizipieren kann. So forderte er: „Aktive und passive
Euthanasie sollte immer dann erlaubt sein, wenn jemand unter einer unheilbaren
Krankheit so sehr leidet, dass ein Weiterleben nicht in seinem oder ihrem
Interesse ist. […] Die zweite Bedingung stellt sicher, dass ein Kind dasselbe
Lebensrecht besitzt wie wir alle, aber nicht, wie zur Zeit noch, gezwungen
werden kann, ein elendes Leben weiterzuleben“ (Helga Kuhse/Peter Singer, „Muss
dieses Kind am Leben bleiben? – Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener“,
Harald Fischer Verlag 1993, S. 252). Singer wollte damit u.a. unerträgliches
Leid durch das langsame Sterbelassen schwerstgeschädigter Neugeborener im
Zeitalter der Gerätemedizin verhindern.
Um ein weiteres
praktisches Beispiel zu nennen: Es gibt Menschen, die Abtreibung als Mord und
sogar in toto als Holocaust bezeichnen. Sie fordern die Kriminalisierung von
Präservativen, abtreibenden Müttern und den ausführenden Ärzten und Kliniken.
Wir verdanken es u.a. feministischen Bewegungen, dass Frauen heute „MenschIn
sei Dank“ über ihren Körper und ihren Kinderwunsch selbst bestimmen dürfen.
Dabei stehen letzten Endes dieselben Argumente im Raum. Wir gehen davon aus,
dass keine Frau leichtherzig oder unbedacht ihr eigenes Kind abtreiben würde.
Dennoch ist es in der gesamten Welt zu beobachten, dass Abtreibungen zu allen
Zeitaltern passierten und praktisch nicht zu verhindern sind. Diese Frauen
haben/hatten diverse Gründe bzw. Zwänge, die sie zu eben dieser Entscheidung
veranlassten. Wer wollte z.B. einer vergewaltigten Frau das Recht auf
Abtreibung aberkennen oder wer wollte einer Frau, die evtl. aus
sozioökonomischen Rahmenbedingungen heraus ihrem Kind kein besonders schönes
Leben schenken kann und daher zur Abtreibung tendiert (z.B. weil sie als
kongolesische Mutter ihr Kind bereits im Coltan-Bergwerk arbeiten sieht), wer
sollte ihr dieses Recht streitig mach? Noch einmal: Dies ist kein Aufruf zur
unbekümmerten Abtreibung und auch nicht die Behauptung, dass die betroffenen
Kinder „minderwertig“ seien. Es ist lediglich die Feststellung, dass die
Individuen, die letztendlich auch die Verantwortung über das Leben der Kinder
übernehmen müssen, nicht von einer autoritären (patriarchalen) Moral zu etwas
gezwungen werden sollten, wozu sie sich nach emotionalem und rationalem Abwägen
nicht im Stande sehen.
Im Bezug auf die absurden und verzerrenden Darstellungen von
Singers Philosophie hat Michael Schmidt-Salomon bereits 2011 ausführlich
Stellung bezogen:
http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/zur-debatte-um-peter-singer
Um den Bogen wieder zur Tierethik zu spannen: Wie sich
innerhalb der menschlichen Belange (siehe oben) bereits gezeigt hat, ist es für
die Begründung einer Ethik nicht ausreichend, schlicht „das Leben schützen zu
wollen“ und Konsequenzen aus der bloßen Spezieszugehörigkeit zu ziehen.
Tierethiker bezeichnen die Bevorzugung von Menschen vor Tieren bzw. die
Ausbeutung von Tieren für Menschen daher als Speziesismus (in Anlehnung zu den
Begriffen Sexismus und Rassismus) und fordern daher, dass auch das Verhältnis
von Menschen zu Tieren überdacht werden sollte. Um diesen Anspruch in einem
ethischen Rahmen zu formulieren, stellt Singer die Leidensfähigkeit und das
Selbstbewusstsein als zentrales Kriterium heraus. Dieses Kriterium erlaubt es
nämlich speziesunabhängig zu ethischen Urteilen zu gelangen.
Nachdem nun die Grundpositionen Peter Singers – stark
vereinfacht – dargestellt wurden, wird auch der Fehler von Peter Bierl
deutlich, wenn dieser konstatiert: "Indem
Menschen mit Behinderungen als weniger wertvoll als manche Säugetiere
dargestellt werden, wie von Singer, befördert ein Großteil der Tierrechtsszene
eine Bioethik, die nur eine zeitgemäße Version der alten faschistischen Rede
vom »lebensunwerten« Leben und von den »Ballastexistenzen am Volkskörper«
darstellt, die es auszumerzen gelte." Bierl vermischt damit in
verzerrender Weise bio- und tierethische Fragen. Aus Singers Forderung, Tiere
nach den gleichen Kriterien zu behandeln wie Menschen, folgt nicht etwa, dass
es „lebensunwertes“ Leben gäbe, dass es „auszumerzen“ gelte – sondern vielmehr
im Gegenteil, dass auch das Leben von Tieren mehr wertgeschätzt wird. Es geht
ihm also nicht um eine Absenkung des Stellenwerts menschlichen Lebens, sondern
um eine Aufwertung des tierischen. Dies steht dem von Bierl geäußerten Vorwurf
faschistischen Denkens ebenfalls diametral entgegen: während dem Individuum im
Faschismus allein durch seinen Dienst an der Gemeinschaft (dem besagten
„Volkskörper“) ein Wert zuteil wird, möchte Peter Singer die Interessen jedes
Individuums bei der (notwendigen!) Abwägung berücksichtigen.
Unzutreffend ist ebenfalls der von Bierl erweckte Eindruck,
die – nach seiner Ansicht esoterische – Tierbefreierszene sei der GBS
zuzurechnen, obwohl die GBS doch gerade Peter Singer den „Ethik-Preis der
Giordano-Bruno-Stiftung“ verliehen hat, welcher sich (wie Peter Bierl selbst
einräumt) von der "esoterischen Tiefenökologie" ausdrücklich
distanziert.
Obwohl wir die Kritik von Peter Bierl nicht für zutreffend
halten, sind wir uns der Einwände gegen utilitaristische Ethiken durchaus
bewusst und wir würden uns daher freuen, wenn wir über notwendige
Einschränkungen und Korrekturen im Rahmen des Vortrags von Dr. Friederike
Schmitz (30.04.; SR 113) diskutieren könnten.
Da sich Peter Bierl in seinem Beitrag auch über das
sogenannte „Ferkelbuch“ äußert, sei auch hierzu ein kleiner Kommentar erlaubt.
Die Kritik im Artikel beläuft sich hauptsächlich auf den Vorwurf des
Antisemitismus. Es sei vorangestellt, dass manche Äußerungen mehr über dessen
Verfasser aussagen als über den jeweiligen Gegenstand der Betrachtung. Worin
zeigt sich aber dieser Antisemitismus im erwähnten Kinderbuch? Ich möchte nicht
wiederholen, was einer der Autoren bereits treffend zu diesem Vorwurf gesagt
hat, es sei an dieser Stelle an die entsprechende Stellungnahme verwiesen:
https://www.youtube.com/watch?v=mcEDATOzjQw
Der Büchermarkt ist von religiösen Kinderbüchern
überschwemmt. Entsprechend entrüstet war die Reaktion, als 2007 das erste (von
der GBS geförderte) religionskritische Kinderbuch "Wo bitte geht's zu
Gott? fragte das kleine Ferkel" erschien. Ich möchte jedoch darauf
aufmerksam machen, dass in diesem Kinderbuch alle drei monotheistischen
Religionen gleichermaßen kritisiert werden. Dass, so der Vorwurf,
beispielsweise der christliche Pfarrer und der muslimische Mufti das Ferkel und
den Igel gastfreundlich und zuvorkommend in ihre Gotteshäuser einladen, ist
schlicht und einfach dem Fakt geschuldet, dass das Judentum eben keine (!)
missionierenden Ambitionen hat, ganz im Gegenteil zu den andern beiden übrigen
monotheistischen Religionen. So wird ein Schuh daraus! Wo bitte ist hier
Antisemitismus anzutreffen?! Der Vorwurf, dass Antisemitismus vorläge, weil ein
strafender, alttestamentarischer Gott beschrieben wird (ein Urteil, dass in dem
Artikel übrigens auch Richard Dawkins vorgehalten wird) sollte sich letzten
Endes mit der Lektüre des Alten Testaments (aber auch des Neuen Testaments)
erübrigt haben. Man darf dies kurz rekapitulieren, bevor es in unbedachte
Vergessenheit gerät: Gott duldet keinen anderen Gott (Erstes Gebot!). Gott ist allmächtig
und zugleich allwissend – und allgütig (das altbekannte Theodizee-Problem). Ein
kritischer Geist liest daraus (existiert denn eine ausreichend begründete
Alternative?!) – abgesehen von innerlogischen Problemen – einen Gottesbegriff
heraus, wie er beispielsweise von Richard Dawkins beschrieben wird. Was soll
aus Allmacht, Allwissenheit und „Allgütigkeit“ sowie dem Anspruch auf ein
„absolutes Primat unter den Gottheiten“ geschlossen werden??? Jeder rationale
Geist, jeder der sich eine freiheitlich-demokratische Grundordnung wünscht,
würde solche Allmachts- und Kontrollphantasien ablehnen! Ist solche Kritik
pauschal antisemitisch? Und so halten wir es in demokratisch konsequenter Weise
lieber mit einem strikten Laizismus (nach dem Vorbild bspw. der USA oder
Frankreichs), die Religion vom Staat zu trennen.
Der Vorwurf, dass einseitig die jüdische Religion karikiert
werde in dem Buch, kann gerade vor dem Hintergrund der Schlussszene nicht
überzeugen: Am Ende des Ferkelbuchs bekommen sich alle drei monotheistischen
Religionen aufgrund ihres jeweiligen Exklusivitätsanspruchs in die Haare. Dies
zeigt deutlich, dass alle drei Religionen in der Geschichte nicht nur als
Opfer, sondern auch als Täter agierten.
Dem Vorwurf einer vermeintlichen „völkischen Identität“
können wir weiterhin leicht mit einem Konzept begegnen, dass über das Konzept
des Multikulturalismus hinausgeht und diesen (hoffentlich) ablösen wird. Dem so
genannten „Transkulturalismus“, der unter anderem von Prof. Wolfang Welsch in
einem lesenswerten Aufsatz dargestellt wurde:
http://www2.uni-jena.de/welsch/tk-1.pdf
Selbstredend haben wir als Atheisten und Naturalisten auch
nichts mit heidnischen Göttern, brauner Esoterik oder Kobolden am Hut. Leider
hatte der Autor offenbar nicht ausreichend Finger übrig, um diese leicht ins
Auge springenden Tatsachen zusammenzuzählen. Wir mögen demnach festhalten: Wir
verfolgen keinen anthropozentrischen Grundsatz, eben so wenig einen Grundsatz,
der „Ethnien“ aufeinander hetzt und auch keinen, der einen vermeintlichen
Sozialdarwinismus rechtfertigen könnte! Im Gegensatz zu den diffus gehaltenen
Anschuldigungen, wir seien positivistisch, szientistisch oder einseitig
rationalistisch, versucht die GBS einen beidseitigen Ausgleich zwischen Natur-
und Geisteswissenschaften zu fördern. Vermutlich ist in diesem Zusammenhang die
Willensfreiheit von besonderer Bedeutung, deren Infragestellung der Autor des
Artikels jedenfalls auch explizit angemahnt hat (Liegt womöglich in dieser
Infragestellung des ursachefreien Willens das „Kriegsbeil“ begraben?!). Die
Unfreiheit des Willens erfolgt jedoch nicht alleine aufgrund „positivistischer“
Aussagen der Hirnforschung: Nein! Man kann die Willensfreiheit auch rein aus
philosophischer Perspektive heraus kritisieren, wie es bspw. Schopenhauer,
Einstein oder Spinoza (übrigens ein zu seiner Zeit von allen für seinen
Pantheismus verfolgter Jude; Einstein bekannte sich zu Spinozas Gottesbild:
Gott gleich Natur) getan haben. – Zudem war auch Erich Fromm (bekanntermaßen
ein Vertreter der Kritischen Theorie und ebenfalls nicht-praktizierender,
säkularer Jude) von Spinoza sehr angetan. Auch der kritisierte Schmidt-Salomon
ist allen drei Autoren zugeneigt. Und wenn man Freud (hier gleichfalls aus
jüdischer Herkunft gewordener Atheist) auch zu Recht in manchem kritisch
gegenüber stehen kann: Die Erkenntnis eines Unbewussten ist ihm wohl schwerlich
abzusprechen. Wer dabei konsequent denkt, kommt notwendig auf eine Form des
Determinismus. Wir mögen uns darüber streiten oder auch nicht – fruchtbarer
wäre es jedenfalls, überhaupt darüber zu „streiten“ und die Konsequenzen der
Willens(-un-)freiheit auszuloten, anstatt (wie Peter Bierl) nur bloße
Anschuldigungen zu erheben.
Auf den Vorwurf des Sozialdarwinismus soll in dieser Replik
auch eingegangen werden. Es wurden Nietzsche und Haeckel in dem Artikel erwähnt
und Andeutungen bezüglich deren Ansichten zu Volk, Rasse bzw. dem
„Übermenschen“ gemacht. Hierbei wurde unterstellt, die GBS übernehme ohne jede
kritische Prüfung, deren Ansichten und Positionen. Wir haben den Eindruck, dass
vieles dabei erheblich „über einen Kamm gebürstet“ wurde. Ich möchte anmerken,
dass das Rezipieren von Nietzsche sowohl bereichernde als auch schwierige
Elemente in sich birgt. Denn ähnlich wie die in diesem Zusammenhang
unverdächtigen Hauptvertreter der Kritischen Theorie, Horkheimer und Adorno,
aufmerksam und kritisch Nietzsche lasen und rezipierten, haben es auch
Philosophen, die sich der GBS angehörig fühlen, verstanden, Nietzsche ohne
vermeintlich rassistische oder völkische Ressentiments zu lesen. Dieses
Argument dürfte daher mehr als fraglich sein. Was Haeckel betrifft, so können
wir die vermeintlich rassistischen Vorurteile dahingehend entlasten, dass in
unserer Veranstaltungsreihe auch ein Vortrag zum Verhältnis von
Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus anberaumt ist (Prof. Hoßfeld, 27.05.;
SR 113), der eben diese Fehlinterpretationen auszuräumen versucht. Zu
konstatieren ist daher anstatt eines unterstellten Mangels an
Geschichtsbewusstsein eine kritische Auseinandersetzung mit derselben. Peter
Bierl scheint daher zu sehr von dem abzukommen, was wir tatsächlich positiv als
unsere Intention mit der GBS-HSG Jena vertreten, nämlich: einen evolutionären
Humanismus, den man mit der Forderung: „Ideen sterben zu lassen, bevor Menschen
für Ideen sterben müssen“ skizzieren kann. In diesem Satz wird deutlich, dass
wir den Austausch von wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnissen
sowie auch das Bedürfnis künstlerischen Ausdrucks wertschätzen und als
unerlässlich erachten, um ein faires und gleichberechtigtes Miteinander in
einer pluralen Gesellschaft zu fördern.
Leider schien Peter Bierl offenbar viel mehr darauf abzuzielen,
einen üblen Verriss auf unsere Kosten zu arrangieren, wie er es schon einmal
getan hat (siehe der Hinweis zu Beginn). Die Kritische Theorie mahnt den
automatischen bzw. unreflektierten Fortschrittsgedanken an. Wir begreifen uns
jedoch auch nicht als Technokraten. Wir hoffen, dass wir dieser Befürchtung
durch Vorträge wie bspw. dem oben genannten Vortrag von Prof. Dr. Hoßfeld oder
auch durch den Vortrag von Rolf Bergmeier (05.07.; SR 113) in angemessener
Weise begegnen. Bergmeier wird die antike, mittelalterlich-christliche sowie
arabische-islamische Kultur in ihrem historischen Zusammenhang darstellen.
Hierbei wird deutlich: Es gibt keinen Fortschrittsautomatismus in der
Geschichte. Für Freiheit und soziale Gerechtigkeit muss man sich aktiv
einsetzen.
Gewiss wurden nicht alle Anschuldigungen in dieser Replik
berücksichtigt. Wenn Fragen offen sein sollten, dann sprecht uns bitte direkt
an, damit wir eventuelle Missverständnisse aus dem Weg räumen können. Wie auch
immer, wir haben manches dazu gelernt, daher danke für den kritischen Beitrag!
Aber wir hoffen gleichfalls, dass der eine oder die andere durch unsere
Standpunkte ebenfalls neue kritische Einsichten gewinnen konnte.
Viele Grüße,
Niklas für die GBS-HSG Jena
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