Zwischen Aufgeklärten und Wahnsinnigen

Unsere letzten beiden Veranstaltungen hätten in gewisser Hinsicht nicht unterschiedlicher sein können: erst der Diskussionsabend mit der Evangelischen Studierenden-Gemeinde, dann der Film Religulous.  

Eine Frage, die wir uns als gbs immer wieder stellen, lautet: Wer oder was ist eigentlich Adressat unserer Religionskritik? Alles Religiöse an sich? Religion als Ideologie? Bestimmte Gruppen und Menschen?  

Wie man sich denken kann, sind wir uns auch nach unseren Abstechern zur ESG und ins Café Wagner nicht darüber einig.

Was die christlichen Studenten von sich gaben, lässt das Herz eines jeden Säkularisten erst einmal höher schlagen: Religion sei Privatsache, natürlich nicht beweisbar, und solle sich nicht in Naturwissenschaft einmischen. Findet sich dann sogar noch Zustimmung dafür, auf gesellschaftlicher und politischer Ebene religiös begründete Argumentationen zu unterlassen, will man ja am liebsten in die Hände klatschen, während man ein „Hallelujah!“ unterdrückt.  

Ganz anders Religulous: Hauptakteur Bill Maher wurde häufig gerade dafür gescholten, sich nur die größten Fundis und Hinterwäldler rausgesucht zu haben, um sie sogleich auf recht brachiale Weise lächerlich zu machen. Fragt sich bloß: Was soll daran verkehrt sein? Auch solche Gestalten bringt Religion hervor, und das nicht zu knapp. Und diese Menschen üben in zahlreichen Teilen der Erde einen gewaltigen Einfluss auf Gesellschaft und Politik aus; sei es in Form blanken Unsinns wie der Propagierung von Kreationismus im Schulunterricht oder durch unmittelbares Säen von Hass und Gewalt, mit Vorliebe gegen Anders- und Nichtgläubige.  

Womit wir wieder beim genannten Problem sind: Halten wir Religion für etwas von der Wurzel her Schädliches, das mit Extremisten nur seine hässlichsten Früchte hervorbringt? Oder wollen wir uns allein auf solche Kräfte konzentrieren, die wirklich eine unmittelbare Gefahr darstellen?

Sollten wir uns im zweiten Falle vielleicht gar mit jenen aufgeklärten Gläubigen verbünden – gemeinsam Stellung gegen Fundamentalismus und Intoleranz beziehen? Ein verführerischer und zudem unter praktischen Gesichtspunkten vielversprechender Gedanke.

Doch auch dagegen lassen sich einige Einwände ins Feld führen: Legitimiert man damit nicht wiederum religiöse Irrationalität, wenn auch nur in ihrer seichten Form? Wie ernst sind solche Lippenbekenntnisse zur Religion als Privatsache zu nehmen, wo doch beispielsweise ein „Der Mensch soll nicht Gott spielen!“ in der nächsten bioethischen Debatte so sicher wie das Amen in der Kirche kommt. Und kann man wirklich von einem gemeinsamen Anliegen ausgehen, wenn auf der anderen Seite unter dem Vorwand der Ökumene bei Radikalen gern mal ein Auge zugedrückt wird?

Als Hochschulgruppe sind wir mehrheitlich der Meinung, dass man irgendwie miteinander ins Gespräch kommen muss. Wir sollten allerdings nicht vergessen, hierbei auch über Grenzen – des Möglichen wie des Zumutbaren – nachzudenken.

Der Streit um Sinn, Art und Ziel von Religionskritik dürfte uns Humanisten insgesamt in jedem Falle noch lange Zeit prägen.