Mittwoch, 30. April 2014

Richtigstellung zu Peter Bierls "Aufstand der Tiere"

An dieser Stelle möchten wir uns mit einem auf Facebook geäußerten Vorwurf auseinandersetzen, wir seien eine "mehr als fragwürdig[e]" Gruppierung.



Liebe Anja Johanna Antigone,

aufgrund Deines Verweises auf einen aus unserer Sicht einseitigen und unfairen Artikel von Peter Bierl (http://jungle-world.com/artikel/2008/24/22011.html) über die Giordano-Bruno-Stiftung, haben wir das Bedürfnis, im Rahmen unserer Möglichkeiten als Jenaer Hochschulgruppe eine Gegendarstellung vorzulegen. Vorab möchten wir jedoch anmerken, dass Peter Bierl kein unbekannter ist und auch Michael Schmidt-Salomon (der Vorstandssprecher der gbs) bereits auf dessen unhaltbare Anschuldigung, die gbs sei antisemitisch und dem rechten Rand zuzuordnen, reagiert hat:


Die Giordano-Bruno-Stiftung ist eine Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung, die es sich zum Ziel gesetzt hat, den Säkularen, Nichtgläubigen und Agnostikern und all jenen eine Stimme zu geben, die sich von den Religionsgemeinschaften und ihren Glaubenssystemen nicht vertreten fühlen. Sie möchte die kreative Entfaltung von Wissenschaft, Philosophie und Kunst fördern und eine humanistische Alternative entwickeln, die ein freies und gleichberechtigtes Zusammenleben aller Menschen ermöglicht.

In der Giordano-Bruno-Stiftung haben sich viele renommierte Wissenschaftler, Philosophen, Schriftsteller und Künstler zusammengetan (z.B. der Comiczeichner Ralf König [→  „Der bewegte Mann“], der Primatologe Volker Sommer, die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin Ingrid Matthäus-Maier, der Neurophilosoph Thomas Metzinger, der Astrophysiker Heinz Oberhummer, zahlreiche bekannte Evolutionsbiogen wie z.B. Eckart Voland und Franz M. Wuketits, die Schriftstellerinnen Esther Vilar und Karen Duve, der Autor und Politologe Hamed Abdel-Samad, der Autor/Zeichner Janosch und viele andere mehr).

Der gestiegene Bekanntheitsgrad der Giordano-Bruno-Stiftung löste als Gegenreaktion eine beträchtliche Anzahl kritischer, mitunter sogar offen diffamierender Medienberichte aus. In den meisten Fällen stammten die besonders harschen Verrisse aus der Feder von Theologen, die sich wohl von der religionskritischen Haltung der GBS herausgefordert fühlten – was für die Leser, Zuhörer oder Zuschauer jedoch meist nicht erkennbar war, da sich die stark voreingenommenen Kritiker hinter der Maske unabhängiger Berichterstatter versteckten. Auf diese Weise schlichen sich einige Fehldeutungen und Missverständnisse im Hinblick auf die Giordano-Bruno-Stiftung ein. Auf die Gängigsten Fragen und Vorurteile wird hier ausführlich eingegangen:

http://www.giordano-bruno-stiftung.de/leitbild/10-fragen-antworten

Es ist sehr zu begrüßen, dass Du Deinen kritischen Verstand offenbar nicht an der Garderobe abgeben möchtest. Dennoch stellt sich dabei immer auch die Frage, von welchem Standpunkt aus Kritik geübt wird. Der Autor des Artikels scheint hierbei einen sehr anthropozentrischen Standpunkt zu vertreten, den wir als evolutionäre Humanisten nicht ganz teilen können – und das unseres Erachtens mit guten Gründen. Denn: Zu den von Freud aufgeworfenen drei Kränkungen der Menschheit gehört auch die Kränkung, dass der Mensch eben keine prinzipielle Sonderstellung in der Welt inne hat; also nicht die „Krone der Schöpfung“ darstellt. Sondern im Gegenteil ein Lebewesen unter vielen ist, wie es uns die Evolutionstheorie auch veranschaulicht. Diese Tatsache sollte auch in ethischer Hinsicht in angemessener Weise berücksichtigt werden.

Die utilitaristische Ethik Peter Singers ist leider von dem Autor unglücklich verkürzt dargestellt worden. Peter Singer propagiert oder gar verlangt keine Tötung von Embryonen oder Behinderten, sondern er untersucht lediglich, ob diese unter gewissen Umständen gerechtfertigt werden kann – was nach der (religiös geprägten) Doktrin von der Heiligkeit des Lebens in jedem Fall ausgeschlossen sein soll. Letztere beruht im Grunde auf der schlichten Zugehörigkeit zur Spezies Mensch. Dadurch führt sie zwar zu einem umfassenden Schutz des menschliches Leben, jedoch kann dies auch zu erheblichem menschlichem Leid führen. Singer schlägt daher vor, dass wir die Beantwortung der Frage, ob wir ein Lebewesen töten dürfen, vielmehr davon abhängig machen sollten, ob dieses Schmerz fühlen kann und ein Bewusstsein für seine eigene Individualität besitzt und die Zukunft antizipieren kann. So forderte er: „Aktive und passive Euthanasie sollte immer dann erlaubt sein, wenn jemand unter einer unheilbaren Krankheit so sehr leidet, dass ein Weiterleben nicht in seinem oder ihrem Interesse ist. […] Die zweite Bedingung stellt sicher, dass ein Kind dasselbe Lebensrecht besitzt wie wir alle, aber nicht, wie zur Zeit noch, gezwungen werden kann, ein elendes Leben weiterzuleben“ (Helga Kuhse/Peter Singer, „Muss dieses Kind am Leben bleiben? – Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener“, Harald Fischer Verlag 1993, S. 252). Singer wollte damit u.a. unerträgliches Leid durch das langsame Sterbelassen schwerstgeschädigter Neugeborener im Zeitalter der Gerätemedizin verhindern.

 Um ein weiteres praktisches Beispiel zu nennen: Es gibt Menschen, die Abtreibung als Mord und sogar in toto als Holocaust bezeichnen. Sie fordern die Kriminalisierung von Präservativen, abtreibenden Müttern und den ausführenden Ärzten und Kliniken. Wir verdanken es u.a. feministischen Bewegungen, dass Frauen heute „MenschIn sei Dank“ über ihren Körper und ihren Kinderwunsch selbst bestimmen dürfen. Dabei stehen letzten Endes dieselben Argumente im Raum. Wir gehen davon aus, dass keine Frau leichtherzig oder unbedacht ihr eigenes Kind abtreiben würde. Dennoch ist es in der gesamten Welt zu beobachten, dass Abtreibungen zu allen Zeitaltern passierten und praktisch nicht zu verhindern sind. Diese Frauen haben/hatten diverse Gründe bzw. Zwänge, die sie zu eben dieser Entscheidung veranlassten. Wer wollte z.B. einer vergewaltigten Frau das Recht auf Abtreibung aberkennen oder wer wollte einer Frau, die evtl. aus sozioökonomischen Rahmenbedingungen heraus ihrem Kind kein besonders schönes Leben schenken kann und daher zur Abtreibung tendiert (z.B. weil sie als kongolesische Mutter ihr Kind bereits im Coltan-Bergwerk arbeiten sieht), wer sollte ihr dieses Recht streitig mach? Noch einmal: Dies ist kein Aufruf zur unbekümmerten Abtreibung und auch nicht die Behauptung, dass die betroffenen Kinder „minderwertig“ seien. Es ist lediglich die Feststellung, dass die Individuen, die letztendlich auch die Verantwortung über das Leben der Kinder übernehmen müssen, nicht von einer autoritären (patriarchalen) Moral zu etwas gezwungen werden sollten, wozu sie sich nach emotionalem und rationalem Abwägen nicht im Stande sehen.

Im Bezug auf die absurden und verzerrenden Darstellungen von Singers Philosophie hat Michael Schmidt-Salomon bereits 2011 ausführlich Stellung bezogen:

http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/zur-debatte-um-peter-singer

Um den Bogen wieder zur Tierethik zu spannen: Wie sich innerhalb der menschlichen Belange (siehe oben) bereits gezeigt hat, ist es für die Begründung einer Ethik nicht ausreichend, schlicht „das Leben schützen zu wollen“ und Konsequenzen aus der bloßen Spezieszugehörigkeit zu ziehen. Tierethiker bezeichnen die Bevorzugung von Menschen vor Tieren bzw. die Ausbeutung von Tieren für Menschen daher als Speziesismus (in Anlehnung zu den Begriffen Sexismus und Rassismus) und fordern daher, dass auch das Verhältnis von Menschen zu Tieren überdacht werden sollte. Um diesen Anspruch in einem ethischen Rahmen zu formulieren, stellt Singer die Leidensfähigkeit und das Selbstbewusstsein als zentrales Kriterium heraus. Dieses Kriterium erlaubt es nämlich speziesunabhängig zu ethischen Urteilen zu gelangen.

Nachdem nun die Grundpositionen Peter Singers – stark vereinfacht – dargestellt wurden, wird auch der Fehler von Peter Bierl deutlich, wenn dieser konstatiert: "Indem Menschen mit Behinderungen als weniger wertvoll als manche Säugetiere dargestellt werden, wie von Singer, befördert ein Großteil der Tierrechtsszene eine Bioethik, die nur eine zeitgemäße Version der alten faschistischen Rede vom »lebensunwerten« Leben und von den »Ballastexistenzen am Volkskörper« darstellt, die es auszumerzen gelte." Bierl vermischt damit in verzerrender Weise bio- und tierethische Fragen. Aus Singers Forderung, Tiere nach den gleichen Kriterien zu behandeln wie Menschen, folgt nicht etwa, dass es „lebensunwertes“ Leben gäbe, dass es „auszumerzen“ gelte – sondern vielmehr im Gegenteil, dass auch das Leben von Tieren mehr wertgeschätzt wird. Es geht ihm also nicht um eine Absenkung des Stellenwerts menschlichen Lebens, sondern um eine Aufwertung des tierischen. Dies steht dem von Bierl geäußerten Vorwurf faschistischen Denkens ebenfalls diametral entgegen: während dem Individuum im Faschismus allein durch seinen Dienst an der Gemeinschaft (dem besagten „Volkskörper“) ein Wert zuteil wird, möchte Peter Singer die Interessen jedes Individuums bei der (notwendigen!) Abwägung berücksichtigen.

Unzutreffend ist ebenfalls der von Bierl erweckte Eindruck, die – nach seiner Ansicht esoterische – Tierbefreierszene sei der GBS zuzurechnen, obwohl die GBS doch gerade Peter Singer den „Ethik-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung“ verliehen hat, welcher sich (wie Peter Bierl selbst einräumt) von der "esoterischen Tiefenökologie" ausdrücklich distanziert.

Obwohl wir die Kritik von Peter Bierl nicht für zutreffend halten, sind wir uns der Einwände gegen utilitaristische Ethiken durchaus bewusst und wir würden uns daher freuen, wenn wir über notwendige Einschränkungen und Korrekturen im Rahmen des Vortrags von Dr. Friederike Schmitz (30.04.; SR 113) diskutieren könnten.

Da sich Peter Bierl in seinem Beitrag auch über das sogenannte „Ferkelbuch“ äußert, sei auch hierzu ein kleiner Kommentar erlaubt. Die Kritik im Artikel beläuft sich hauptsächlich auf den Vorwurf des Antisemitismus. Es sei vorangestellt, dass manche Äußerungen mehr über dessen Verfasser aussagen als über den jeweiligen Gegenstand der Betrachtung. Worin zeigt sich aber dieser Antisemitismus im erwähnten Kinderbuch? Ich möchte nicht wiederholen, was einer der Autoren bereits treffend zu diesem Vorwurf gesagt hat, es sei an dieser Stelle an die entsprechende Stellungnahme verwiesen:

https://www.youtube.com/watch?v=mcEDATOzjQw

Der Büchermarkt ist von religiösen Kinderbüchern überschwemmt. Entsprechend entrüstet war die Reaktion, als 2007 das erste (von der GBS geförderte) religionskritische Kinderbuch "Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel" erschien. Ich möchte jedoch darauf aufmerksam machen, dass in diesem Kinderbuch alle drei monotheistischen Religionen gleichermaßen kritisiert werden. Dass, so der Vorwurf, beispielsweise der christliche Pfarrer und der muslimische Mufti das Ferkel und den Igel gastfreundlich und zuvorkommend in ihre Gotteshäuser einladen, ist schlicht und einfach dem Fakt geschuldet, dass das Judentum eben keine (!) missionierenden Ambitionen hat, ganz im Gegenteil zu den andern beiden übrigen monotheistischen Religionen. So wird ein Schuh daraus! Wo bitte ist hier Antisemitismus anzutreffen?! Der Vorwurf, dass Antisemitismus vorläge, weil ein strafender, alttestamentarischer Gott beschrieben wird (ein Urteil, dass in dem Artikel übrigens auch Richard Dawkins vorgehalten wird) sollte sich letzten Endes mit der Lektüre des Alten Testaments (aber auch des Neuen Testaments) erübrigt haben. Man darf dies kurz rekapitulieren, bevor es in unbedachte Vergessenheit gerät: Gott duldet keinen anderen Gott (Erstes Gebot!). Gott ist allmächtig und zugleich allwissend – und allgütig (das altbekannte Theodizee-Problem). Ein kritischer Geist liest daraus (existiert denn eine ausreichend begründete Alternative?!) – abgesehen von innerlogischen Problemen – einen Gottesbegriff heraus, wie er beispielsweise von Richard Dawkins beschrieben wird. Was soll aus Allmacht, Allwissenheit und „Allgütigkeit“ sowie dem Anspruch auf ein „absolutes Primat unter den Gottheiten“ geschlossen werden??? Jeder rationale Geist, jeder der sich eine freiheitlich-demokratische Grundordnung wünscht, würde solche Allmachts- und Kontrollphantasien ablehnen! Ist solche Kritik pauschal antisemitisch? Und so halten wir es in demokratisch konsequenter Weise lieber mit einem strikten Laizismus (nach dem Vorbild bspw. der USA oder Frankreichs), die Religion vom Staat zu trennen.

Der Vorwurf, dass einseitig die jüdische Religion karikiert werde in dem Buch, kann gerade vor dem Hintergrund der Schlussszene nicht überzeugen: Am Ende des Ferkelbuchs bekommen sich alle drei monotheistischen Religionen aufgrund ihres jeweiligen Exklusivitätsanspruchs in die Haare. Dies zeigt deutlich, dass alle drei Religionen in der Geschichte nicht nur als Opfer, sondern auch als Täter agierten.

Dem Vorwurf einer vermeintlichen „völkischen Identität“ können wir weiterhin leicht mit einem Konzept begegnen, dass über das Konzept des Multikulturalismus hinausgeht und diesen (hoffentlich) ablösen wird. Dem so genannten „Transkulturalismus“, der unter anderem von Prof. Wolfang Welsch in einem lesenswerten Aufsatz dargestellt wurde:

http://www2.uni-jena.de/welsch/tk-1.pdf

Selbstredend haben wir als Atheisten und Naturalisten auch nichts mit heidnischen Göttern, brauner Esoterik oder Kobolden am Hut. Leider hatte der Autor offenbar nicht ausreichend Finger übrig, um diese leicht ins Auge springenden Tatsachen zusammenzuzählen. Wir mögen demnach festhalten: Wir verfolgen keinen anthropozentrischen Grundsatz, eben so wenig einen Grundsatz, der „Ethnien“ aufeinander hetzt und auch keinen, der einen vermeintlichen Sozialdarwinismus rechtfertigen könnte! Im Gegensatz zu den diffus gehaltenen Anschuldigungen, wir seien positivistisch, szientistisch oder einseitig rationalistisch, versucht die GBS einen beidseitigen Ausgleich zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu fördern. Vermutlich ist in diesem Zusammenhang die Willensfreiheit von besonderer Bedeutung, deren Infragestellung der Autor des Artikels jedenfalls auch explizit angemahnt hat (Liegt womöglich in dieser Infragestellung des ursachefreien Willens das „Kriegsbeil“ begraben?!). Die Unfreiheit des Willens erfolgt jedoch nicht alleine aufgrund „positivistischer“ Aussagen der Hirnforschung: Nein! Man kann die Willensfreiheit auch rein aus philosophischer Perspektive heraus kritisieren, wie es bspw. Schopenhauer, Einstein oder Spinoza (übrigens ein zu seiner Zeit von allen für seinen Pantheismus verfolgter Jude; Einstein bekannte sich zu Spinozas Gottesbild: Gott gleich Natur) getan haben. – Zudem war auch Erich Fromm (bekanntermaßen ein Vertreter der Kritischen Theorie und ebenfalls nicht-praktizierender, säkularer Jude) von Spinoza sehr angetan. Auch der kritisierte Schmidt-Salomon ist allen drei Autoren zugeneigt. Und wenn man Freud (hier gleichfalls aus jüdischer Herkunft gewordener Atheist) auch zu Recht in manchem kritisch gegenüber stehen kann: Die Erkenntnis eines Unbewussten ist ihm wohl schwerlich abzusprechen. Wer dabei konsequent denkt, kommt notwendig auf eine Form des Determinismus. Wir mögen uns darüber streiten oder auch nicht – fruchtbarer wäre es jedenfalls, überhaupt darüber zu „streiten“ und die Konsequenzen der Willens(-un-)freiheit auszuloten, anstatt (wie Peter Bierl) nur bloße Anschuldigungen zu erheben.

Auf den Vorwurf des Sozialdarwinismus soll in dieser Replik auch eingegangen werden. Es wurden Nietzsche und Haeckel in dem Artikel erwähnt und Andeutungen bezüglich deren Ansichten zu Volk, Rasse bzw. dem „Übermenschen“ gemacht. Hierbei wurde unterstellt, die GBS übernehme ohne jede kritische Prüfung, deren Ansichten und Positionen. Wir haben den Eindruck, dass vieles dabei erheblich „über einen Kamm gebürstet“ wurde. Ich möchte anmerken, dass das Rezipieren von Nietzsche sowohl bereichernde als auch schwierige Elemente in sich birgt. Denn ähnlich wie die in diesem Zusammenhang unverdächtigen Hauptvertreter der Kritischen Theorie, Horkheimer und Adorno, aufmerksam und kritisch Nietzsche lasen und rezipierten, haben es auch Philosophen, die sich der GBS angehörig fühlen, verstanden, Nietzsche ohne vermeintlich rassistische oder völkische Ressentiments zu lesen. Dieses Argument dürfte daher mehr als fraglich sein. Was Haeckel betrifft, so können wir die vermeintlich rassistischen Vorurteile dahingehend entlasten, dass in unserer Veranstaltungsreihe auch ein Vortrag zum Verhältnis von Evolutionstheorie und Sozialdarwinismus anberaumt ist (Prof. Hoßfeld, 27.05.; SR 113), der eben diese Fehlinterpretationen auszuräumen versucht. Zu konstatieren ist daher anstatt eines unterstellten Mangels an Geschichtsbewusstsein eine kritische Auseinandersetzung mit derselben. Peter Bierl scheint daher zu sehr von dem abzukommen, was wir tatsächlich positiv als unsere Intention mit der GBS-HSG Jena vertreten, nämlich: einen evolutionären Humanismus, den man mit der Forderung: „Ideen sterben zu lassen, bevor Menschen für Ideen sterben müssen“ skizzieren kann. In diesem Satz wird deutlich, dass wir den Austausch von wissenschaftlichen und philosophischen Erkenntnissen sowie auch das Bedürfnis künstlerischen Ausdrucks wertschätzen und als unerlässlich erachten, um ein faires und gleichberechtigtes Miteinander in einer pluralen Gesellschaft zu fördern.

Leider schien Peter Bierl offenbar viel mehr darauf abzuzielen, einen üblen Verriss auf unsere Kosten zu arrangieren, wie er es schon einmal getan hat (siehe der Hinweis zu Beginn). Die Kritische Theorie mahnt den automatischen bzw. unreflektierten Fortschrittsgedanken an. Wir begreifen uns jedoch auch nicht als Technokraten. Wir hoffen, dass wir dieser Befürchtung durch Vorträge wie bspw. dem oben genannten Vortrag von Prof. Dr. Hoßfeld oder auch durch den Vortrag von Rolf Bergmeier (05.07.; SR 113) in angemessener Weise begegnen. Bergmeier wird die antike, mittelalterlich-christliche sowie arabische-islamische Kultur in ihrem historischen Zusammenhang darstellen. Hierbei wird deutlich: Es gibt keinen Fortschrittsautomatismus in der Geschichte. Für Freiheit und soziale Gerechtigkeit muss man sich aktiv einsetzen.

Gewiss wurden nicht alle Anschuldigungen in dieser Replik berücksichtigt. Wenn Fragen offen sein sollten, dann sprecht uns bitte direkt an, damit wir eventuelle Missverständnisse aus dem Weg räumen können. Wie auch immer, wir haben manches dazu gelernt, daher danke für den kritischen Beitrag! Aber wir hoffen gleichfalls, dass der eine oder die andere durch unsere Standpunkte ebenfalls neue kritische Einsichten gewinnen konnte.

Viele Grüße,


Niklas für die GBS-HSG Jena

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