Alexander Aan. Foto: wissenrockt.de |
Kulturen unterscheiden
sich in erster Linie in ihren Selbstverständlichkeiten. Die sind
dann auch die größte Hürde, wenn es darum geht, sich gegenseitig
verstehen zu wollen. Schließlich entkommt man nur sehr schwer den
eigenen Denkmustern, von denen her man glaubt, sich seine gesamte
Umwelt erschließen zu können. Wirklich plurale
Gesellschaften müssen aber genau dazu fähig sein.
Im (unter Vorbehalt)
aufgeklärten Europa ist es heute weitgehend selbstverständlich,
dass man an Götter glauben kann oder eben nicht. Die Entscheidung
zum Glauben gilt als Entscheidung des Einzelnen.
Anstelle von
„Gotteslästerung“ hat sich hierzulande daher auch mittlerweile
vielfach die Bezeichnung „Beleidigung von Religion“ oder, noch
individueller, „Verletzung religiöser Gefühle“ etabliert. So
wird entsprechend an einem Satz wie etwa: „Jesus hatte meiner
Meinung nach einen am Pfirsich“ weniger die Respektlosigkeit
gegenüber der Religionsgestalt beklagt als vielmehr gegenüber der
Glaubensgemeinschaft, die vorgibt, zu dem Kerl in irgendeiner
Beziehung zu stehen.
Dass es sich bei dieser
Beziehung um die eingebildete Erfüllung verschiedenster Sehnsüchte
handelt, muss an dieser Stelle nicht zum tausendsten Male gezeigt
werden.
Grundsätzlich bin ich
aber sehr froh darüber, dass mit der Problematik hier eben so
umgegangen wird. Wenn es beispielsweise um antichristliche
Karikaturen geht, und Christen darum bitten, diese zu unterlassen,
weil sie sich dadurch persönlich verletzt fühlen – dann halte ich
das durchaus für ein einleuchtendes Argument. Zumal es schlicht ehrlich ist, ganz im Gegensatz zur vorgeschobenen Behauptung, so etwas würde „Gott“ nicht gefallen. Daraufhin wäre es
geboten, zu prüfen, ob man der eigenen Aussage trotzdem unvermindert
Gehör verschaffen – oder eigentlich nur provozieren will (wovon
ich nichts halte, wogegen ich aber auch nichts einzuwenden habe).
Leider sieht es in
anderen Teilen der Erde völlig anders aus.
Ein Fall, der seit
einiger Zeit die Runde macht, ist der des Indonesiers Alexander Aan.
Dessen Sünde bestand im Wesentlichen darin, auf Facebook geschrieben
zu haben, es gebe keinen Gott. Es sieht danach aus, als erwarte
ihn in seinem Heimatland dafür eine elfjährige Haftstrafe.
In Kuwait wurde vom
dortigen Parlament kürzlich beschlossen, Blasphemie
mit
dem Tode zu bestrafen. Das bedeutet dort die
Beleidigung - also in den meisten Fällen faktisch die nicht
grenzenlose Huldigung - Allahs, Mohammeds und dessen Frauen. Allerdings, für Nichtmuslime gibt es nur
zehn Jahre Gefängnis – wohl ein Ausdruck dessen, was
Pierre Vogel stets betont: „Wir sind eine barmherzige
Religion.“
Du greifst dir an die
Platte. Zum einen als Europäer, den solche Zustände ganz
selbstverständlich anekeln. Zum anderen, weil hier deutlich wird,
dass die dortigen Verantwortlichen einfach nicht in der Lage sind,
die Betroffenen ernst zu nehmen.
Es wird offensichtlich
davon ausgegangen, die „Schuldigen“ wollten Allah irgendwie
ärgern, ihn herausfordern, sich mit ihm anlegen. So etwas macht man
aber auch nicht, schließlich gibt es ja nur den einen Gott. – Das,
genau das will den betreffenden muslimischen Eliten nicht in den Sinn: Es gibt
Menschen, für die das keine Selbstverständlichkeit ist. Sie wollen
auf Teufel komm raus nicht begreifen, dass man die Welt ohne Götter
denken - und sogar ethisch handeln kann! Stattdessen werden sämtliche Abweichler als Irre und
Störenfriede gebrandmarkt und entsprechend aus der Gesellschaft
entfernt.
Es ist höchste Zeit,
dass Regierungen wie NGOs sich endlich diesem Problem zuwenden und
alles daran setzen, diesen Ländern überhaupt erst einmal klar zu
machen, was Religionsfreiheit bedeutet – zu der untrennbar
die Freiheit von Religion gehört. Das Engagement
der Asian Human Rights Commission im Falle Alexander Aans ist
hier einer der noch wenigen Lichtblicke.
Der Autor widerspricht sich ein gutes Stück weit, wenn er einserseits behauptet die Forderung christlicher Religioten nach Unterlassung "antichristlicher" Karrikaturen sei legitim, während die Forderung auf Unterlassung des öffentlichen Zweifelns an der Existenz Gottes (im islamischen Kontext) nicht legitim sei.
AntwortenLöschen"Antichristlich" ist eben auch zu behaupten, das es keinen Gott gibt, denn immerhin baut die gesamte christliche Lehre auf ebendiesem Gottesprinzip auf, ja behauptet sogar (wie andere) im Besonderen etwas über dieses aussagen zu können.
Man verrennt sich halt, wenn man der üblichen gutmenschlich-politisch-korrekten Auffassung folgt, das man Religion als solche privilegiert gegenüber jeder anderen kausalen, vor allem aber akausalen / willkürlichen Behauptung privilegisieren will.
Auf welcher Basis, wenn nicht dem Verstand bzw. der objektivistisch bestrebten Betrachtung können Menschen überhaupt behaupten, eine willkürliche Behauptung wie die einer "religiösen Idee" stünde - warum auch immer - über jeder anderen willkürlichen Behauptung oder auch Ideologie?
Das "Religion" von "religio" stammend in etwa "etwas immer wieder überdenken" bedeutet, scheint den meisten auch entgangen - dem zufolge wäre die Wissenschaft die heute "einzig legitime" Religion, die demnach auch besonderen Schutz zu geniessen hätte - aber auch dort gehört der Schutz vor Kritik, auch in Karrikaturenform, wohl keinesfalls dazu.
Das kann nicht nur, das muss schief gehen...