Donnerstag, 17. Mai 2012

Unfähig, zu verstehen


Alexander Aan.
Foto: wissenrockt.de
Die Vorstellung von Blasphemie ist eine der irrsinnigsten, die die Menschheit je hervorgebracht hat. Das liegt vor allem daran, dass der Vorwurf der „Gotteslästerung“ in den allermeisten Fällen ganz einfach nicht stimmt. Doch bis heute zeigen Glaubensvertreter, die sich darüber ereifern, oft nicht den Hauch einer Bereitschaft, sich auf andere Denkweisen einzulassen – in einigen Regionen der Welt mit fatalen Folgen.


Kulturen unterscheiden sich in erster Linie in ihren Selbstverständlichkeiten. Die sind dann auch die größte Hürde, wenn es darum geht, sich gegenseitig verstehen zu wollen. Schließlich entkommt man nur sehr schwer den eigenen Denkmustern, von denen her man glaubt, sich seine gesamte Umwelt erschließen zu können. Wirklich plurale Gesellschaften müssen aber genau dazu fähig sein.

Im (unter Vorbehalt) aufgeklärten Europa ist es heute weitgehend selbstverständlich, dass man an Götter glauben kann oder eben nicht. Die Entscheidung zum Glauben gilt als Entscheidung des Einzelnen.

Anstelle von „Gotteslästerung“ hat sich hierzulande daher auch mittlerweile vielfach die Bezeichnung „Beleidigung von Religion“ oder, noch individueller, „Verletzung religiöser Gefühle“ etabliert. So wird entsprechend an einem Satz wie etwa: „Jesus hatte meiner Meinung nach einen am Pfirsich“ weniger die Respektlosigkeit gegenüber der Religionsgestalt beklagt als vielmehr gegenüber der Glaubensgemeinschaft, die vorgibt, zu dem Kerl in irgendeiner Beziehung zu stehen.
Dass es sich bei dieser Beziehung um die eingebildete Erfüllung verschiedenster Sehnsüchte handelt, muss an dieser Stelle nicht zum tausendsten Male gezeigt werden.
Grundsätzlich bin ich aber sehr froh darüber, dass mit der Problematik hier eben so umgegangen wird. Wenn es beispielsweise um antichristliche Karikaturen geht, und Christen darum bitten, diese zu unterlassen, weil sie sich dadurch persönlich verletzt fühlen – dann halte ich das durchaus für ein einleuchtendes Argument. Zumal es schlicht ehrlich ist, ganz im Gegensatz zur vorgeschobenen Behauptung, so etwas würde „Gott“ nicht gefallen. Daraufhin wäre es geboten, zu prüfen, ob man der eigenen Aussage trotzdem unvermindert Gehör verschaffen – oder eigentlich nur provozieren will (wovon ich nichts halte, wogegen ich aber auch nichts einzuwenden habe).

Leider sieht es in anderen Teilen der Erde völlig anders aus.
Ein Fall, der seit einiger Zeit die Runde macht, ist der des Indonesiers Alexander Aan. Dessen Sünde bestand im Wesentlichen darin, auf Facebook geschrieben zu haben, es gebe keinen Gott. Es sieht danach aus, als erwarte ihn in seinem Heimatland dafür eine elfjährige Haftstrafe.
In Kuwait wurde vom dortigen Parlament kürzlich beschlossen, Blasphemie mit dem Tode zu bestrafen. Das bedeutet dort die Beleidigung - also in den meisten Fällen faktisch die nicht grenzenlose Huldigung - Allahs, Mohammeds und dessen Frauen. Allerdings, für Nichtmuslime gibt es nur zehn Jahre Gefängnis – wohl ein Ausdruck dessen, was Pierre Vogel stets betont: „Wir sind eine barmherzige Religion.“

Du greifst dir an die Platte. Zum einen als Europäer, den solche Zustände ganz selbstverständlich anekeln. Zum anderen, weil hier deutlich wird, dass die dortigen Verantwortlichen einfach nicht in der Lage sind, die Betroffenen ernst zu nehmen.
Es wird offensichtlich davon ausgegangen, die „Schuldigen“ wollten Allah irgendwie ärgern, ihn herausfordern, sich mit ihm anlegen. So etwas macht man aber auch nicht, schließlich gibt es ja nur den einen Gott. – Das, genau das will den betreffenden muslimischen Eliten nicht in den Sinn: Es gibt Menschen, für die das keine Selbstverständlichkeit ist. Sie wollen auf Teufel komm raus nicht begreifen, dass man die Welt ohne Götter denken - und sogar ethisch handeln kann! Stattdessen werden sämtliche Abweichler als Irre und Störenfriede gebrandmarkt und entsprechend aus der Gesellschaft entfernt.

Es ist höchste Zeit, dass Regierungen wie NGOs sich endlich diesem Problem zuwenden und alles daran setzen, diesen Ländern überhaupt erst einmal klar zu machen, was Religionsfreiheit bedeutet – zu der untrennbar die Freiheit von Religion gehört. Das Engagement der Asian Human Rights Commission im Falle Alexander Aans ist hier einer der noch wenigen Lichtblicke.

1 Kommentar:

  1. Der Autor widerspricht sich ein gutes Stück weit, wenn er einserseits behauptet die Forderung christlicher Religioten nach Unterlassung "antichristlicher" Karrikaturen sei legitim, während die Forderung auf Unterlassung des öffentlichen Zweifelns an der Existenz Gottes (im islamischen Kontext) nicht legitim sei.

    "Antichristlich" ist eben auch zu behaupten, das es keinen Gott gibt, denn immerhin baut die gesamte christliche Lehre auf ebendiesem Gottesprinzip auf, ja behauptet sogar (wie andere) im Besonderen etwas über dieses aussagen zu können.

    Man verrennt sich halt, wenn man der üblichen gutmenschlich-politisch-korrekten Auffassung folgt, das man Religion als solche privilegiert gegenüber jeder anderen kausalen, vor allem aber akausalen / willkürlichen Behauptung privilegisieren will.

    Auf welcher Basis, wenn nicht dem Verstand bzw. der objektivistisch bestrebten Betrachtung können Menschen überhaupt behaupten, eine willkürliche Behauptung wie die einer "religiösen Idee" stünde - warum auch immer - über jeder anderen willkürlichen Behauptung oder auch Ideologie?

    Das "Religion" von "religio" stammend in etwa "etwas immer wieder überdenken" bedeutet, scheint den meisten auch entgangen - dem zufolge wäre die Wissenschaft die heute "einzig legitime" Religion, die demnach auch besonderen Schutz zu geniessen hätte - aber auch dort gehört der Schutz vor Kritik, auch in Karrikaturenform, wohl keinesfalls dazu.

    Das kann nicht nur, das muss schief gehen...

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